
Die live im Fernsehen übertragene Eröffnungsfeier wurde von Kritikern der nationalen und internationalen Presse hoch gelobt. Auch im Internet wurde die Show rund um den Globus über verschiedenste Netzwerke gestreamt und erreichte somit das bisher größte Publikum einer Olympia-Eröffnungsfeier.
Eine Herausforderung für Profis
Eine Aufgabe mit einer so hohen Aufmerksamkeit und Berühmtheit ist definitiv nichts für Amateure. Aus diesem Grund hat das Organisationskomitee der Olympischen und Paralympischen Spiele 2016 einen internationalen Wettbewerb ausgelobt, um für die künstlerische Leitung und Ausführung der Olympischen und Paralympischen Eröffnungs- und Abschlussfeiern die besten Unternehmen der Welt zu finden.
Den Zuschlag erhielt Cerimônias Cariocas 2016, die P&G Cenografia engagierten, um das wichtigste szenische Element der Olympischen Eröffnungsfeier zu realisieren: die „Box City“, wie sie von ihren Schöpfern genannt wird.

P&G war unter anderem für die Ausführungsplanung der „Box City“, die Entwicklung und Produktion von Prototypen für Systeme und Materialien, Tests und Fehlersuche sowie für die Präsentation von technischen und betrieblichen Lösungen für den Bühnenbau verantwortlich. Auch für den Betrieb der „Box City“ während der Proben und der Eröffnungsfeier war P&G zuständig.

Box City - eine Stadt und ihre Herausforderungen
Die Idee der Box City, die von der preisgekrönten britischen Bühnenbildnerin Es Devlin und der Szenografin Daniela Thomas konzipiert wurde, war sowohl einfach als auch anspruchsvoll. Wie der Name vermuten lässt, bestand das Bühnenbild aus mehreren Boxen (oder szenischen Blöcken), die eine Stadt simulierten und sowohl als wandelbare Szenarios als auch als mehrstöckige Bühne für die Choreographie der Tänzer fungierten.

Die interne Struktur der Boxen, in denen sich die Tänzer, Künstler und Profis bewegten, wurde aus Traversenwürfeln und Metall-Rahmen hergestellt, die mit verschiedenen „Schichten“ aus bedruckten PVC-Leinwänden bespannt wurden. Somit konnten verschiedene Szenarien während der Eröffnungsfeier realisiert werden.
Auf den ersten Blick schien die Montage dieser Boxen nicht sehr schwierig, bis die folgenden fünf Punkte berücksichtigt wurden:
- Die Boxen brauchten eine Struktur, die robust genug war, eine Gruppe von Tänzern auszuhalten, die auf ihnen sprangen und tanzten.
- Die Boxen sollten einen Mechanismus für den Austausch von insgesamt sieben "Schichten" pro Box enthalten.
- Die ganze Struktur der Box City musste auf der Tribüne des Maracanã-Stadions montiert werden. Daher musste die Installation sehr sorgfältig geplant werden.
- Der ganze Box City Komplex sollte aus 73 Boxen bestehen.
- Das Mosaik, das durch die Bilder auf den Boxen gebildet wurde, musste von allen Stadionbesuchern mit minimaler optischer Verformung gesehen werden.
Hinzu kam natürlich die Spannung, die entsteht, wenn ein so großes Ereignis geplant wird, das Milliarden von Zuschauern rund um die Welt live sehen werden.

Auch für die erfahrenen Szenografen und Bühnenbildner Altamir Júnior und Omar Muro, die den Aufbau der Box City koordinierten, war dies keine gewöhnliche Aufgabe. Trotz ihrer Erfahrung mit Großevents wussten sie, dass sie vor einer großen Herausforderung stehen.
„Die Montage der Traversenwürfel begann in der Mitte und ging dann Stück für Stück zur Seite weiter, nachdem die angrenzenden Boxen-Ebenen überprüft wurden. Oft stimmten die Ebenen wegen Spalten in der Stadiontribüne nicht überein. Deshalb mussten wir das Design oft überarbeiten, um diese Probleme zu lösen,“ sagt Muro.
„Es gab mehrere schwierige Phasen bei der Vormontage. So mussten wir z.B. herausfinden, welche Materialien und Systeme für den Bau der Box City am besten geeignet sind. Schwierig war auch die Einstellung der oberen Ebenen der einzelnen Boxen. Der Aufbau dauerte auch länger als erwartet, da wir eine hohe Präzision für die einzelnen Module erreichen wollten. Hätten wir während dieses Prozesses einen Fehler gemacht, hätte der Rest der Struktur Schaden genommen. Deshalb habe ich den Aufbau des Bühnenbilds persönlich überwacht.“
Der gesamte Aufbau wurde in P&G Werkstätten unter der Leitung und Betreuung des erfahrenen Bauleiters Julio Gomes durchgeführt. Er erzählt:
„Es war eine große Aufgabe. Wir erhielten von den Architekten und Designern rund 300 technische Zeichnungen und Pläne als Vectorworks-Dateien, die sofort analysiert, gedruckt und an jede Abteilung in der Werkstatt verteilt wurden. Etwa 300 Mitarbeiter, darunter Schreiner, Mechaniker, Maler, Elektriker und Dekorateure haben die technischen Zeichnungen in die Realität umgesetzt.“
Vectorworks: 3D-Schnittstelle zwischen Kunst, Design und Herstellung
Unter diesen Bedingungen musste sowohl die Fertigung als auch die Montage der Strukturen sehr gut geplant sein. Dies setzt eine leistungsstarke 3D-Software voraus, die schnelles Modellieren und gleichzeitig eine detaillierte Dokumentation ermöglicht. Und hier kommt Vectorworks ins Spiel.

Vectorworks hat sich stark verändert seit P&G Cenografia die CAD-Software nutzt, erinnert sich Paulo Neves, Designer und Creative Director.
„Wir verwenden Vectorworks seit 1996, als es noch MiniCAD genannt wurde“, sagte Neves. „Als wir anfingen, mit Computern zu arbeiten, setzten wir 2D-Zeichensoftware wie FreeHand und Corel ein. Das waren zwar keine fortschrittlichen Programme, aber wir konnten sowohl Projekte illustrieren als auch technische Zeichnungen anfertigen. Und genau hier hat uns Vectorworks überzeugt, weil es uns erlaubt, mit denselben einfachen Vektor-Zeichenmethoden detailliertere Pläne zu erstellen.“

„Außerdem waren die hervorragenden 3D-Modellierfähigkeiten von Vectorworks ausschlaggebend für den Einsatz bei P&G", so Neves weiter. „Heute verwenden wir 3D-Modellierungen bei allen unseren Projekten, für Entwürfe, Renderings und als Unterstützung für Aufbausimulationen von Veranstaltungen.“ (Paulo Neves)

„Die Vielseitigkeit und Geschwindigkeit der 3D-Modellierung mit Vectorworks hatte einen großen Einfluss auf die tatsächliche Simulation der Konstruktion und der Montage von Teilen.“ (Omar Muro)
„Vectorworks half auch bei der Herstellung und Montage der Traversenwürfel, der Röhren-Strukturen, Bodenbeläge, Schienen, Leitern, Rampen und Ausbauten sowie bei der Detaillierung während der Vormontage und der Fertigungsstufen. Das Programm simulierte in 3D alle Details der Metall-Boxen mit allen mechanischen Teilen der Vorhangsysteme und zeigte, was mit den Teilen während der Konstruktion und Montage passieren könnte.“
Bei dem großen Arbeitsaufwand und dem engen Zeitplan war die kurze Einarbeitungszeit in die Software ein weiterer wichtiger Punkt, da die Auszubildenden und Architekten, die Vectorworks noch nie genutzt hatten, das Programm schnell lernen konnten, so Muro. „Nach weniger als einer Woche konnten sie schon in Vectorworks zeichnen und planen“, erklärt Muro.

Júnior unterstütze den kompletten Aufbau vom Entwurf bis zur Endabnahme. "Eine der größten Herausforderungen bei Box City war die Kombination eines kreativen Designs mit der Realität der Fertigung", erklärt Júnior. „Die Möglichkeit, in 3D zu modellieren und ohne Programmwechsel detaillierte Pläne zu erzeugen, war ausschlaggebend. Im konkreten Fall von Box City wäre eine Realisierung ohne perfekte 2D-3D-Integration unmöglich gewesen aufgrund der Komplexität des Projekts und der Beeinträchtigungen durch die Stadion-Architektur und die szenischen Elemente."
"Im Hinblick auf den Zeitplan, das Budget, die Null-Toleranz-Politik gegenüber Fehlern und Ungenauigkeiten, intuitives 3D-Modellieren und Standardisierung zwischen verschiedenen Dateiformaten war Vectorworks unverzichtbar in jeder Phase des Prozesses", erklärt Júnior.
„Mit Hilfe von Vectorworks haben wir vom Beginn des Entwurfs bis zur Erstellung der Fertigungsdokumentation höchste Flexibilität erreicht." (Altamir Junior)
Erfolgreiche Eröffnung - erfolgreiche Spiele
Abel Gomes, Bühnenbildner, Direktor und Gründer von P&G Cenografia und Präsident des Konsortiums Cerimônias Cariocas 2016, erinnert sich an den Erfolg der Eröffnung.
„Ab Freitag, 5. August, wurden 12.000 Karten pro Tag für alle Veranstaltungen verkauft", sagt Gomes, der auch künstlerischer Generaldirektor der vier Feiern war. „Nach der Eröffnung am Samstag stieg diese Zahl auf 100.000 Karten an. Dies war das erste Mal in der 516-jährigen Geschichte des Landes, dass Brasilien mit der ganzen Welt gleichzeitig kommunizierte."
Die Eröffnung der Olympischen Spiele 2016 in Rio war ein unvergessliches Ereignis.
„Der Erfolg der Eröffnungsfeier ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Spiele. Mit anderen Worten, wenn die Eröffnungsfeier gut ist, sind die Spiele gut! " (Abel Gomes)
Und gut waren die Spiele 2016, die sicherlich in die Geschichte von Olympia eingehen werden.
P&G Cenografia
Team (von links nach rechts):
Leonardo Caetano (Rio 2016 Committee – Ceremonies Director), Lee de Castro (P&G - Ingenieur), Fernando Sousa (P&G – General Director), Carlos Arthur Nuzman (Rio 2016 Komité und COB Präsident), Abel Gomes (P&G - Gründer und Präsident | CC 2016 - Partner, Präsident und künstlerischer Generaldirektor), Omar Muro (P&G - Architekt und Szenograf), Marcelo Braga (P&G - Koordinator Aufbau), Reginaldo Nascimento (P&G - Koordinator Aufbau), Flávio Machado (SRCOM - Associate und Vizepräsident CC2016 - Executive Producer Paralympic Ceremonies Rio 2016), Altamir Júnior (P&G - Koordinator Box City Aufbau + Produktion und Szenograf)
