Außenansicht des Projekts

leanBIM: Das schlanke BIM-Modell

leanBIM steht für die Integration von BIM-Strukturen in eine Vectorworks Vorlage-Datei und einen Workflow mit minimalem Aufwand. Das Architekturbüro KUBUS360 aus Stuttgart zeigt anhand eines Verwaltungsbaus im Hohenlohekreis eindrucksvoll, wie bestehende Vorgabedokumente einfach zu BIM-Vorgaben werden – mit wenigen Mitteln und optimalem Output. Bei der INSIDE VECTORWORKS 2024 haben KUBUS360 ihre Maßnahmen und Erfahrungen mit anderen Planer:innen geteilt.

Architektin Bianca Hirner und BIM-Koordinator Freddy Hartmann stellen die Maßnahmen ihres Büros vor, die ihren leanBIM-Gedanken tragen. Dazu gehören die Beeinflussung von Vorgaben, die Anpassung von Arbeitsmethoden an BIM, der Einsatz von Visualisierungen zur Datenprüfung sowie einer Datenbank für Änderungen und die erfolgreiche Kommunikation im Modell.

Sie möchten Ihr Wissen auf der großen Bühne teilen? Kontaktieren Sie uns und werden Sie Referent:in bei INSIDE VECTORWORKS.

Bei KUBUS360 ist BIM kein primäres Projektziel, sondern vielmehr ein Werkzeug. Ziel ist es, den Aufwand für das BIM-Modell minimal zu halten.

Bianca Hirner
Architektin und Projektleiterin bei KUBUS360

Innenperspektive
OPTIMALER OUTPUT MIT MINIMALEM AUFWAND

Das Gebäudeensemble des Verwaltungsbaus aus drei Baukörpern soll maßgeblich die neue Stadtentwicklung prägen - alle drei Baukörper sind in Holz-Beton-Hybrid-Bauweise geplant. In der Erdgeschosszone sind mehr öffentliche Nutzungen untergebracht, mit viel Kundenkontakt und Versammlungsstätten. In den Obergeschossen sind hauptsächlich Büroflächen für circa 630 Arbeitsplätze umgesetzt. An dieser Stelle hat sich die Frage gestellt: Was ist die neue Aufgabe im weiteren Planungsprozess? Und da war es natürlich klar: der Auftraggeber wünscht sich BIM.

Aufgrund dieser neuen Anforderungen in der Aufgabenstellung hat sich das Büro dazu entschieden, die Fachexpertise eines BIM Gesamtkoordinators mit ins Planungsteam zu holen. Dadurch konnte frühzeitig geklärt werden: 

Wie soll das BIM-Projekt umgesetzt werden?
Welche Workflows sind ideal für das Büro?
Wie kann das Ganze in Vectorworks integriert werden?

Auf diese Weise konnten KUBUS360 die BIM-Struktur für das Projekt maßgeblich auf ihre Vorlagendatei in Vectorworks anpassen. Bei der Umsetzung dieser neuen Struktur war es dem Büro besonders wichtig, dass BIM nicht als ein primäres Projektziel verstanden wird, sondern dass sie die Struktur als Werkzeug nutzen und dabei den Aufwand immer so minimal wie möglich halten.

EINFLUSS DES AUFTRAGGEBERS & BIM-ABWICKLUNGSPLAN

Da der Auftraggeber ebenfalls noch wenig Erfahrung mit BIM mitbrachte, hat sich KUBUS360 schon vor dem eigentlichen Planungsprozess dazu entschieden, die Inhalte der Auftraggeberinformationsanforderung (AIA) proaktiv mitzubeeinflussen und in gewissem Maß zu steuern. Somit konnten sie einerseits vermeiden, dass unrelevante Inhalte umgesetzt werden. Und andererseits gewährleisten, dass sie die Anforderung und Inhalte mit geringem Aufwand in Vectorworks umsetzen können. 


In Abstimmung mit dem Auftraggeber (AG) und dem BIM-Gesamtkoordinator (BGK) wurde ein Vorschlag für den AIA aufbereitet, der sicherstellte, dass eben genau diese beiden Bedingungen umgesetzt werden können. Auf Grundlage des AIA wurde dann der BIM-Abwicklungsplan (BAP) erstellt. Um die Workflows und Projektabwicklung für alle Beteiligten bestmöglich festzuhalten, wurden in einem Planungsworkshop alle BIM-Fachkoordinatoren mit einbezogen.

Wichtig: Der AIA und der BAP werden zwar zu Beginn des Projektes festgelegt, sind aber nicht in Stein gemeißelt. Im Zuge des Projekts können Anpassungen an beiden Dokumenten vorgenommen werden. AIA und BAP sind auf Basis der VDI 25-52 aufgebaut. Gemeinsam mit BIM-Manager, Gesamtkoordinatoren und Fachkoordinatoren (BFKs) hat KUBUS360 zusammen mit ihrem BIM-Gesamtkoordinator (SIIN GmbH) die Strukturen aufgesetzt und verschiedene Dokumente herausgearbeitet. Der wichtigste nächste Schritt war dann die Attribuierung mithilfe der LOIN (Level of Information Need) - einer Art Attributierungsmatrix. Hier wird jedes Bauteil als IFC-Identität definiert und die Eigenschaften bzw. der Zeitpunkt festgelegt, wann diese Eigenschaften ins Modell einzupflegen sind.

IFC-Modell

Das Ganze muss jetzt in Vectorworks so hinterlegt werden, dass ein IFC-Modell entsteht, das der LOIN entspricht. Konventionellerweise setzt KUBUS360 auf native Plug-ins, wie Böden, Decken, Wände, Treppen usw., die 95 % der späteren Arbeit ausmachen. Allerdings stößt diese Arbeitsweise auch manchmal an seine Grenzen. Wenn detaillierter gezeichnet und mehr Daten hinterlegt werden sollen, bietet Vectorworks eine ideale Lösung: Das Modellieren nach Klassen. KUBUS360 nennt es klassenbasierte Zuweisung. Damit sind Bauteile nicht mehr über die Plug-ins definiert, mit denen sie gezeichnet sind, sondern über die Klassen, auf denen sie liegen. 

Mit der LOIN hat KUBUS360 festgelegt, welche Eigenschaften die Bauteile bekommen. Das wurde dann eins zu eins auf die Stammklassen übertragen. Diese haben später eigene Datenbanken, die sich auf die LOIN beziehen. Modellierklassen beziehen ihre Daten wiederum aus den Stammklassen. Die Modellierklassen sind später das, was früher Zeichenklassen waren. Das hat den Vorteil, dass nicht mehr so viel ummodelliert werden muss. Alle Modellierklassen haben die richtigen Eigenschaften, die dann auch korrekt ins IFC Modell exportiert werden. In Vectorworks gibt es immer einen Vectorworks-Datensatz und ein IFC-Datensatz, die an die eigenen Datenbanken gekoppelt sind. 

KLASSENBASIERTE ZUWEISUNG & DATENVISUALISIERUNG

Der große Vorteil von klassenbasierten Zuweisungen ist, dass im weiteren Verlauf aus Volumenkörpern bzw. Auto-Hybrid-Objekten, mit Symbolen und allen weiteren Mitteln eigene Bauteile erschaffen werden können.

Die klassenbasierte Arbeitsweise ist für uns ein zentraler Vorteil in Vectorworks, da sie uns ermöglicht, Formen komplett frei zu gestalten.

Freddy Hartmann
BIM-Koordinator bei KUBUS360

Vorhandene Bauteile können zweckentfremdet werden; KUBUS360 verwendet beispielsweise Dachflächen für ihre Attiken. In Vectorworks wird das im IFC-Modell auch gleich mit der richtigen Kostengruppe und der richtigen IFC-Identität exportiert. Dieser Prozess funktioniert, da das Bauteil (hier die Dachfläche) nicht über das Plug-in als Dach definiert wurde, sondern auf einer Attika-Klasse liegt. Wenn eigene Datenbanken aus der LOIN definiert werden, kommt das Prinzip der Single Source of Truth (SSOT) zum Tragen. SSOT ist implizit im BIM-Gedanken verankert und bezeichnet einen allgemeingültigen verlässlichen Datenbestand, der den Anspruch hat, korrekt zu sein.

Vogelperspektive des Gesamtprojekt

Im Fall von KUBUS360 wurde so definiert, dass nur die eigenen Datenbanken die richtigen Informationen enthalten. Der Vectorworks Datenmanager ermöglicht diese Zuordnung, bei der die Eigenschaften aus den Plug-ins in die eigene Datenbank mappen. Beispiel Feuerwiderstandsklasse: Die Daten mappen in eine zentrale Datenbank, aus der die Daten später ausgelesen werden – sei es für die Visualisierung, die Tabelle oder, ganz wichtig, das IFC-Modell. Durch die Definition von eigenen Datenbanken sind diese sehr reduziert, wodurch KUBUS360 eine gewisse Schlankheit realisieren konnten – ihren leanBIM-Ansatz. 

Die meisten Elemente (Treppen, Geländer, Tragwerkselemente, Türen, usw.) lassen sich problemlos mit den nativen Plugins realisieren. Allerdings ist das Architekturbüro dabei dann auch auf Grenzen gestoßen, wie beispielsweise bei der Fassade. Spezielle Fassadenelemente mit einer geknickten Lisene mussten individuell aufgebaut werden. Da die Bauteile aber nicht durch ihre Plug-ins definiert sind, ist keine Pfosten-Riegel-Fassade oder ähnliches notwendig, sondern es kann frei mit eigenen Volumenkörpern modelliert werden. KUBUS360 hat das Element zu einem Auto-Hybrid-Objekt gemacht, das ihnen im Grundriss direkt korrekt angezeigt wird. 

Es wurde festgelegt, dass alle Daten immer über eine Single Source of Truth fließen sollen. In diesem Fall eine Datenbank, in der definiert ist, welche Feuerwiderstandsklasse es geben soll. So können alle Bauteile gleichzeitig angezeigt werden, woraus der Brandschutz ausgelesen werden kann. Auf diese Weise sieht man auf einen Blick, ob die Zusammenhänge stimmen, ohne eine spezielle Einrichtung vorzunehmen. Vorteilhaft ist, dass die eigenen Bauteile wie native Plug-ins mit den Daten gefüttert werden können.

Durch polygonale Bauteile im Projekt entstehen sehr viele Winkel. Um hier den Überblick zu behalten, ob richtig gezeichnet wurde, haben KUBUS360 eine Datenvisualisierung namens „Winkelprüfer“ entwickelt. Mit Hilfe des Winkelprüfers sehen sie auf einen Blick, welche Wände richtig gezeichnet sind und welche nicht. Das ganze Datenbankfeld wird im Datenmanager dann entweder mit „wahr“ oder mit „falsch“ gekennzeichnet. Das zeigt, wie einfach auch das „Programmieren“ in Vectorworks funktioniert – alles in Echtzeit. „Wir sind wirklich happy mit diesem Tool“, sagt Freddy Hartmann.

ERFOLGREICHE TEAM-KOMMUNIKATION MIT VECTORWORKS

Innerhalb eines Jahres hat sich das Team von KUBUS360 deutlich vergrößert. Gewisse Themen lassen sich daher nicht mehr im Vorübergehen besprechen, sondern erfordern eine eingespielte Systematik – und die sieht bei ihnen so aus: 

Dieser Prozess ist stark angelehnt an den BCF-Manager aus dem IFC-Modell, nur, dass es innerhalb von Vectorworks stattfindet. Die Änderungswolke liegt auf einer bestimmten Klasse. Durch diese Klasse wurde sie mit einer Datenbank und einem Datenset verknüpft, wodurch Issues relativ einfach angelegt werden können. Hier können die Felder Kategorie, Prio, Verantwortlich, Einstellungsdatum, Planvermerk, Index und Beschreibung verwaltet werden.

Außenperspektive des Projekts

In der nächsten Planungsbesprechung haben KUBUS360 dann eine Tabelle zur Verfügung, in der alle Änderungswolken und Probleme übersichtlich aufgeführt sind. Wenn die Änderungswolke auf der richtigen Ebene liegt, lässt sie sich leicht aktivieren, sodass man in der Besprechung schnell und einfach zwischen den verschiedenen Issues hin- und herspringen kann. 

Das Beispiel von KUBUS360 zeigt, dass es sich lohnt, sich in den Datenmanager einzuarbeiten. Sie konnten mit den einfachsten Mitteln wirklich smarte Tools und Prüfungen anlegen, ohne zu tief in die Materie einzusteigen.

Fragen an KUBUS360

Wie darf man sich die Rolle des BIM Gesamtkoordinators im Projekt vorstellen und wo war dieser zuständig?

Bianca Hirner: Unser Projekt ist wie folgt strukturiert: Es gibt den BIM-Manager, der bei der Projektsteuerung verortet ist, und den BIM-Gesamtkoordinator, der bei uns Objektplanern als eine Art Subunternehmer fungiert. Herr Hartmann ist unser interner BIM-Koordinator. In der Regel erstellt der Auftraggeber in Zusammenarbeit mit dem BIM-Manager die Projektvorgaben. In diesem speziellen Fall war es so gedacht, dass wir proaktiv vorangehen und direkt im Vorschlag des AIA auch den BAP erarbeiten. 
 
Wie hoch war der Aufwand, BIM-Objekte in Ihre Vorgabedokumente einzupflegen und die Zuweisungen in Datenmanager zu programmieren?

Freddy Hartmann: Tatsächlich hat sich das in Grenzen gehalten, da wir unseren leanBIM-Gedanken verfolgt haben. Wir wollten wirklich nur die Informationen in das Modell einfließen lassen, die später auch ausgewertet werden. Der Prozess war nicht aufwendig, da uns die LOIN bereits alle Datenfelder und Datenbanken vorgegeben hatte.
 
Wie viele Datenbanken gibt es innerhalb Ihrer Vectorworks-Dokumente, in die Sie alle Daten gemäß SSOT mappen, um sie dann ins IFC-Modell zu schreiben? Welche Vorteile haben sich daraus noch ergeben? 

Freddy Hartmann: Wir haben tatsächlich nur vier Datenbanken:

  • Eine allgemeine Datenbank, in der hinterlegt ist, welche IFC-Reference als Art ID gilt. 
  • Eine Bauteil-Datenbank, die für fast alle Bauteile gilt.
  • Eine Datenbank für Fenster und Türen, weil hier relativ viele Attribute zusammenkommen.
  • Eine Datenbank als eine Art Platzhalter. Hier werden Haustechnik-Themen eingearbeitet, um dem Bauherrn ein aussagekräftiges CAFM-Modell (Computer-Added-Facility-Management) liefern zu können.

Dank der geringen Anzahl an Datenbanken wissen wir immer relativ schnell, wo die Daten eingepflegt werden. Der gesamte Planungsprozess ist dadurch sehr übersichtlich und mit Tabellen und Datenvisualisierungen leicht zu steuern.

logo
ÜBER KUBUS360

KUBUS360 ist ein Architekturbüro aus Stuttgart. Das 360 im Namen steht für den ganzheitlichen 360-Grad-Blick bei der Planung, Entwicklung und Betreuung von Projekten. Ihr Leistungsschwerpunkt liegt nicht nur auf der Planung, sondern auch auf der Steuerung von Projekten und einer nachhaltigen und transparenten Beratung. Dazu greifen sie auf einen großen Kompetenzpool an Mitarbeiter:innen zurück, der eben nicht nur aus Architekt:innen, sondern auch aus Ingenieur:innen, Projektsteuer:innen und Betriebswirt:innen besteht. Ihre Projektschwerpunkte sind im Wesentlichen Sport- und Schulbauten, Verwaltungsbauten, aber auch Wohnungen und Geschäftshäuser.

MEHR ERFAHREN

Banner INSIDE VECTORWORKS 2024
Aufzeichnung des Vortrags

Schauen Sie sich hier den kompletten Vortrag von KUBUS360 bei der INSIDE VECTORWORKS 2024 an - inklusive kostenloser Schulung zum Thema "Optimierte Bürostruktur durch einheitliche Vorgaben". Springen Sie zu 14:27, um direkt mit dem Vortrag einzusteigen. 

JETZT ANSEHEN

Weitere Referenzen:
LH Architekten Header
LH Architekten

Nachhaltige Planung dank smartem BIM-Modell

Die Integration der BIM-Methode in den Büroalltag erfordert individuelle Anpassungen jedes Büros. Im Vordergrund stehen dabei die Prozessoptimierung, aber auch die effiziente Zusammenarbeit mit allen Planungsbeteiligten. Das Hamburger Architekturbüro LH Architekten ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die BIM-Methode erfolgreich angewendet werden kann. In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit immer mehr in den Fokus rückt, zeigen zeigt das Büro, wie moderne Technologien wie BIM einen wertvollen Beitrag zur Gestaltung einer umweltfreundlicheren Zukunft leisten können.

Feuerwehrhaus Gaus
Gaus Architekten

Ein Vorbild für nachhaltiges Bauen

Ein Feuerwehrgebäude vollständig aus Holz – Gaus Architekten aus Göppingen haben genau das umgesetzt und eine Symbiose aus Funktionalität, Ästhetik und Nachhaltigkeit geschaffen. Seit Januar 2023 ist der Holz-Neubau das neue Zuhause der Freiwilligen Feuerwehr Tübingen-Lustnau und zeitgleich das Aushängeschild einer nachhaltigen, kommunalen Architektur sowie einer zukunftsfähigen Baukultur.

phase 5 Logistikzentrum
phase 5

Projekt Sharing und Daten -visualisierung

Das Team bei phase 5 in Düsseldorf arbeitet bereits seit über 20 Jahren mit Vectorworks. Die rund 80 Mitarbeitenden befassen sich dabei größtenteils mit Projekten in den Bereichen Logistik, Wohnen, Büro und Gewerbe.

asp und IFG
asp Architekten

Nachhaltigkeit im Blick

Durch den Umbau eines Bestandsgebäudes entsteht nach Plänen von 'asp' Architekten das Haus des Tourismus am Stuttgarter Marktplatz, um zukünftig als repräsentatives Schaufenster der Region Stuttgart zu dienen. Das ganzheitliche Gestaltungskonzept beinhaltet bauliche Maßnahmen wie die Entkernung, die Ergänzung eines neuen Treppenhauses sowie eine neue Fassade.