Auszeichnung für zwei Vectorworks-Projekte

Die beiden Gewinnerentwürfe

In der Architektenkammer Berlin fand am 19. Februar die diesjährige Preisverleihung der Campus Masters 2023 statt. Jedes Jahr schicken Student:innen der Architektur ihre innovativen und kreativen Projekte ins Rennen, um beim deutschlandweiten Wettbewerb von baunetz CAMPUS zu überzeugen. Cäcilia Halbgewachs ("Die Wohnmetamorphose") und Samuel Holz ("Ihme-Archipel") setzten sich mit ihren Konzepten gegen eine starke Konkurrenz durch. Aus 24 Finalist:innen kürte die Jury ihre Masterprojekte zu den vier Jahresbesten. Das Besondere: Beide Entwürfe wurden mit Vectorworks realisiert. Wir haben nachgefragt:

Links ein Modell eines Wohnzimmers, rechts der Entwurf einer Wohnanlage aus der Vogelperspektive
Wie verlief der Entwurfsprozess?
Außenansicht des Entwurfs von Cäcilia


Cäcilia:
In meiner Masterarbeit wollte ich mich mit zukunftsrelevanten Bauweisen im Hinblick auf den Klimawandel und den Umgang mit Hitzeperioden in unserer Klimazone beschäftigen. Barcelonas vernakuläre, aber auch moderne Architektur ist Vorreiter in der Kombination aus robuster Low-Tech-Architektur und Passivstrategien für die mediterrane Klimazone. Dieses Zusammenspiel wird auch in Deutschland immer wichtiger. Mir selbst eine Aufgabe zu stellen und einen passenden fiktiven Bauort in Barcelona zu finden, war die erste Herausforderung. Zwei Wochen lang spazierte ich durch Barcelona, analysierte für meine Recherchearbeit Verschattungssysteme und passive Lüftung in Gebäuden und fand am Ende mit Hilfe meiner Freunde in Barcelona die passende Baulücke.
 

Die größte Herausforderung war es dann aber, die gesamte Masterarbeit allein zu stemmen. In vergangenen Semesterprojekten waren meine Projektpartnerin und ich ein sehr eingespieltes Team. Entscheidungen konnten immer zusammen abgewägt werden und unsere Stärken hatten sich perfekt ergänzt. Während der Thesis zweifelte ich immer wieder, ob ich noch auf einer guten Fährte bin. Mir half es ganz zu Beginn, die Umgebung in 2D und 3D detailliert zu zeichnen und parallel auch physische Modelle zu bauen. Die Open Source Maps mit städtischen 3D-Daten aus Katalonien waren für das Projekt eine sehr dankbare Grundlage für einen schnellen Start in die Entwurfsphase. 

Entwurf einer Wohnanlage

Samuel:
Das bauliche Erbe der Moderne ist die größte bauliche Masse im Bestand in Deutschland, eine Konsequenz des kapitalistischen Wirtschaftswunders dieser Jahre. Die Architektur wurde zum Abbild der Boomer-Jahre und des Massenzeitalters. Sinnbildlich dafür stehen utopische Großstrukturen, als Spiegel der damaligen Zeit. Großstrukturen waren das architektonische Resultat des modernen technischen Fortschrittsglaubens. Dieser Glaube war Teil der Lösung der Menschheit. Wir wurden zu einer Konsumgesellschaft geprägt in einem System des grenzenlosen Wachstums. Doch alles ist erschöpft. Bewusst und unterbewusst omnipräsent. Eine Utopie mit ihren Teilprodukten, realisiert in einem System, verankert in der Gesellschaft und bildlich festgehalten in der Architektur. Das Offensichtliche liegt vor uns: Ruinen der Stadt, Struktur und Gesellschaft. 

Der Umgang mit dem Bestand ist nach wie vor systematisch unterdrückt und somit relativ unerforscht. Dadurch ergeben sich große Herausforderungen, wie zum Beispiel das Beschaffen von Daten, die Entwicklungsmöglichkeiten des Bestands, Eigentümerstrukturen, eine Bauordnung, die auf Neubau beruht – nur um einige Beispiele zu nennen. Für mich war der universitäre Rahmen wichtig, um solchen verlorenen Strukturen eine Möglichkeit der Transformation, die Utopie der Veränderung, aufzeigen zu können. Natürlich stelle ich der gescheiterten Utopie eine konzeptionelle Arbeit entgegen. Alles andere wäre fatal, da meine Arbeit im aktuellen System sicherlich utopisch ist. Die Aussage ist jedoch, dass diese Strukturen alles andere als verloren sind. Im Gegenteil, es sind Räume, die wir heute so nicht mehr bauen und genau deshalb so spannende Möglichkeiten für eine Transformation bieten. Die Architektur vergangener Tage steht als Argument für eine gemeinsame Zukunft. Gesellschaft und gebauter Raum im Dialog über eine Transformation und eine Ästhetik der Reparation und Gemeinnützigkeit.

Was gefällt euch an euren Entwürfen am besten?
 

Cäcilia:
Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, in Innenraummodellen, aber auch an der Fassade in meinen physischen Modellen spürbar zu machen, wie Bauteile Raumtemperaturen regulieren können. Klappensysteme an der Küchenzone, begehbare Kastenfenster, einfache Holzjalousien, dicke, speichernde Ziegeldecken und -wände, die Arkade und der klimaregulierende Patio finden alle auf sehr selbstverständliche Weise ihren Platz im Gebäude, indem sie ihrer regulierenden Funktion durch die Steuerung der Nutzer:innen folgen. 

Samuel:
Mir gefällt der theoretische Bezug zwischen Architektur und Gesellschaft im System der 70er Jahre sowie das resultierende Erbe, das uns heute prägt. Es ist eine Herausforderung, dies gestalterisch und konzeptionell zu überbrücken und eine Aussage zur aktuellen Debatte über den Umgang mit bestehenden Strukturen in Gesellschaft und Architektur zu treffen. Eine so umfangreiche Struktur in nur sieben Monaten zu analysieren, zu verstehen und dann gestalterisch zu verändern, erforderte viel Arbeit und Durchhaltevermögen.

Gibt es Aspekte, die ihr im Nachhinein anders angehen würdet? 
Entwurf des Designs von Cäcilia Halbgewachs

Cäcilia: 
Architektur ist für mich immer Teamarbeit. Es kann nie jede:r 100% in allen Bereichen liefern. Dafür ist Architektur zu komplex. Ich finde die Wohnmetamorphose zwar ein schönes Projekt, aber ich bin sicher, dass durch die Arbeit zu zweit oder zu dritt mit mehr Spaß und Ideen generell noch bessere Ergebnisse entstehen.
 

Digitales Design des Projekts von Samuel Holz

Samuel:
Die Gestaltung von Raum und das Denken über theoretische Themen, Entwicklungen und Transformationen als Einzelperson führen fast immer zu subjektiven Arbeiten und Aussagen. Gerade im Städtebau sind solche individuellen Aussagen oft sehr spezifisch. Ein so großes Thema und diese Großform selbstständig zu bearbeiten, war für meine Entwicklung und mein persönliches Verständnis sehr wichtig. So bleibt die Arbeit jedoch sehr individuell und ein subjektiver künstlerischer Prozess, der genauso gut in eine andere Richtung hätte laufen können, um dann ebenfalls eine interessante Aussage treffen zu können. Für mich persönlich geht es nicht darum, die eine richtige Lösung zu finden, sondern überhaupt aktiv zu werden, zu suchen, zu forschen und neue Möglichkeiten zu erkunden.

Welche Vectorworks-Funktionen fandet ihr besonders hilfreich?
 

Cäcilia
Die Bedienung ist sehr intuitiv, vor allem beim Einstellen von Farben, Strichstärken und eigenen Schraffuren. Ich arbeite jetzt seit sieben Jahren mit dem Programm und mir gefällt vor allem, wie einfach es ist, in 3D zu zeichnen, sei es ein ganzes Gebäude oder ein detailliertes Möbel. Da ist Vectorworks ein vielfältiger Allrounder. 

Samuel:
Für mich ist derzeit ein Vorteil von Vectorworks mein persönlicher Workflow, da ich das Programm während meines gesamten Studiums verwendet habe und daher sehr schnell damit arbeiten kann. Darüber hinaus denke ich, dass die Arbeitsfläche von Vectorworks nach wie vor eine der großen Stärken des Programms ist. Für konzeptionelle Arbeiten ist für mich das 3D-Modellieren in Rhino unumgänglich. Daher war die Entscheidung, mit Vectorworks im 2D zu arbeiten, relativ einfach.
 

Wie sehen eure Pläne nach dem Studium aus? 
 

Cäcilia:
Aktuell schließe ich meinen zweiten Master in Innenarchitektur ab. In diesem Studiengang habe ich mich besonders auf Möbeldesign konzentriert. Eine Kombination aus (Innen- )Architektur und (Möbel-)Design würde ich mir auch später für mein Berufsleben wünschen. Abwechslung und Flexibilität machen für mich die Würze! 

Samuel:
Nach dem Studium habe ich die Zeit für eine kleine Auszeit und Weiterbildung in Fernost genutzt. Aktuell bin ich auf Jobsuche und offen für spannende Aufgaben in der Zukunft im Bereich Architektur, Stadtplanung und Design. Ich denke, meine Arbeit zeigt mein Interesse an einer grundlegenden Transformation von Architektur und Gesellschaft. Die Zukunft liegt im gemeinschaftlichen Arbeiten, Reparieren und Transformieren für eine neue Ästhetik von Raum und Architektur. Architektur betrachte ich als das Schaffen von ästhetisch ansprechenden Räumen und gleichzeitig als die gesellschaftliche Kunst, die systematische Veränderungen durch Kreativität bewirken kann. Mein Anspruch ist es, lebendige Umgebungen zu schaffen, die den Ausdruck des Menschen als Lebewesen widerspiegeln.

 

Wir gratulieren Cäcilia und Samuel herzlich zu ihrer Auszeichnung und wünschen ihnen alles Gute für die Zukunft.

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